Biene

Wahrscheinlich genug, um zu handeln?

Forschende schlagen Alarm: die Insektenpopulation geht massiv zurück. Pestizide, Stickstoffverbindungen oder Klimaveränderungen werden als mögliche Ursachen genannt. Doch welche Evidenz reicht aus, um Gegenmassnahmen zu ergreifen?

„Insektensterben!“ Was nun?

Im Oktober 2017 erschienen mehrere Zeitungsartikel, die darüber berichteten, dass die Insektenpopulation in Deutschland massiv zurückgegangen ist. Eine genaue Ursache konnte bis jetzt nicht eruiert werden: Jedoch wurden drei Faktoren genannt, welche dieses Massensterben verursachen könnten: Pestizide, Stickstoffverbindungen und Klimaveränderung.[1] Die Studie könnte die Grundlage sein Gegenmassnahmen zu ergreifen, obwohl wir nicht eindeutig wissen, ob diese überhaupt den gewünschten Effekt oder im schlimmsten Fall sogar unerwünschte Folgen haben könnten.

Ich will anhand dieses Beispiels aufzeigen, dass der Grad an Evidenz [2], der angezeigt ist, eine Handlung auszulösen, sowohl von ethischen als auch von epistemologischen Faktoren abhängt.[3] Dazu werde ich zwecks einer bessern Analyse das Ausgangsbeispiel formalisieren. Diese Formalisierung erlaubt es, die hier diskutierten Überlegungen auf ähnliche Probleme zu übertragen. Zum Beispiel auf Debatten zum Klimawandel, Veganismus oder Impfschutz (auch wenn dort jeweils eigene Besonderheiten zu berücksichtigen sind). Die Formalisierung wird so erklärt, dass sie für Nicht-Philosoph*innen zugänglich ist.

Von Ursachen und Massnahmen

Ausgehend vom Beispiel der schwindenden Insektenpopulation, lässt sich eine stark idealisierte und formale Darstellung generieren, welche aufzeigt, wie Ursachen und Gegenmassnahmen zusammenhängen können. Bei der hier zu untersuchenden Art von Problemen gibt es auf der Ebene wie unsere Welt tatsächlich beschaffen ist zwei Möglichkeiten: Entweder wurden die Ursachen für das Problem korrekt erkannt oder sie wurden nicht erkannt. Auf der Ebene der Massnahmen ist das gleiche möglich: Entweder man ergreift Gegenmassnahmen gegen die mutmasslichen Ursachen oder man tut es nicht. Eine mögliche entsprechende Formalisierung wäre die folgende:[4]

Insektensterben Formalisierung

Im Bezug auf das Beispiel mit der schwindenden Insektenpopulation ist die Tabelle nun wie folgt zu lesen: In der Welt 1 ist die Faktorengruppe (a ∨ b ∨ c) die kausale Ursache für das erhöhte Sterben der Insekten. Das Sterben der Insekten wird mit x symbolisiert. Das zusätzliche Symbol ⇑ gibt nun an, dass mehr Insekten sterben, als es ihrem natürlichen Lebenszyklus entspricht. Die Variablen a, b, c stehen für die bereits erwähnten möglichen Einzelursachen. So ist a eine Variable für alle eingesetzten Pestizide, b für Stickstoffverbindungen und c für Klimaveränderungen. Die Variabeln a, b und c formen eine Disjunktion[5], weil zum Beispiel auch allein die Pestizide die Ursache für die Zunahme des Insektensterbens sein könnten. In der Welt 2 hingegen ist keine der Variablen aus Welt 1 für das Insektensterben verantwortlich. Die Variabel d steht deshalb für alle unbekannte Ursachen, welche x⇑ stattdessen auslösen könnten.

Die Variable y stellt alle positiven Effekte dar, welche durch die Verwendung von (a ∧ b ∧ c) erreicht werden können. Dies könnte zum Beispiel der Mehrertrag durch den Einsatz von Pestiziden (a) sein. Wenn die Massnahme I ergriffen wird, hat (A ∧ B ∧ C) mit Sicherheit einen Effekt auf y. Die Variable A bedeutet, dass der Einsatz von Pestiziden stark reduziert würde. B und C sind analog zu lesen. Die Massnahme 1 wird deshalb als eine Konjunktion [6] dargestellt, weil kein Wissen vorliegt, welche der Variablen a, b, c die Ursache für x⇑ ist. Die Massnahme II stellt nun dar, dass weiterhin Pestizide (a) und Dünger (b) eingesetzt werden und der Klimawandel (c) unverändert stattfindet. Entsprechend bleibt auch y stabil, da der Mehrertrag durch Pestizide noch gegeben ist.

Für die Analyse interessant ist nun die Kombination der Welten mit den Massnahmen. Werden Welt 1 und Massnahme I kombiniert, dann sind a ∨ b ∨ c die Ursache für x⇑ und entsprechend hat nun A ∧ B ∧ C die Wirkung, dass das Insektensterben abnimmt und damit zu x⇒ wird. Ein Rückgang der positiven Effekte durch den Einsatz von Pestiziden (a) und Düngemittel (b) ist dabei wenigstens in der hier angenommen Zeitspanne unvermeidlich. Die Massnahmen I, also (A ∧ B ∧ C), haben jedoch keinen positiven Effekt auf x, wenn keiner der Faktoren a, b, c eine kausale Ursache für das Insektensterben ist und also Welt 2 gilt. Entsprechend bleibt x gleich stark, aber y nimmt ab. Der Satz nach dem XOR zeigt nun ein weiteres mögliches Szenario: Es werden Massnahmen getroffen, welche keinen Effekt auf das Insektensterben (x) haben, aber einen Effekt auf y und damit positive Effekte unnötig reduzieren. Entsprechend kann die unbekannte Ursache d unvermindert auf x einwirken und hat schlussendlich sogar ein noch grösseres Insektensterben x⇑⇑ zur Folge. Die Zunahme von x hat aber ab einem Zeitpunkt einen negativen Effekt auf y. Dies wird durch y⇓⇓(⇓)? symbolisiert. Der dritte abwärtsgerichtete Pfeil beim y zeigt auf, dass die Zunahme des Insektensterbens und der Verzicht auf Pestizide (A) allenfalls einen zusätzlichen Effekt auf y hat. Analog dazu sind nun auch die unteren beiden Spalten zu lesen. Auch hier ist zentral, dass x⇑⇑ und y⇓⇓ zusammenhängen. Das unverminderte Sterben von Insekten wird irgendwann einen negativen Effekt auf die Erträge in der Landwirtschaft haben.

Metaethische Analyse

Es geht in dieser metaethischen Analyse nun nicht darum Antworten auf bestimmte ethische Fragen zu finden, sondern mögliche ethische Positionen zu dieser Frage aufzuzeigen. Im Bezug auf das Insektensterben und die Analyse im zweiten Abschnitt werde ich nun drei Folgefragen stellen, welche unterschiedliche ethische Positionen ausdrücken:

1. Wie ist das Ausmass von y⇓ gegeben dem Fall, dass x⇑ kausal verursacht wird durch (a ∨ b ∨ c) und nur durch (A ∧ B ∧ C) aufgehalten werden kann?

Die Verhältnisse, die in der ersten Frage beschrieben werden, setzen einen auf den Menschen bezogenen Utilitarismus voraus.[7] Das Insektensterben (x⇑) wird den erwünschten Folgen (y) gegenübergestellt und sie werden gegeneinander verrechnet hinsichtlich des Nutzens, den sie für den Menschen haben. Die Gegenmassnahmen (A ∧ B ∧ C) sind also ausgehend von der ersten Frage dann angezeigt, wenn der negative Effekt von x⇓ den positiven Effekt übersteigt, welchen (a ∧ b ∧ c) auf y hätten. Dies würde also bedeuten, dass das Insektensterben nur dann zu bekämpfen wäre, wenn der Ertrag dadurch geringer ausfallen würde, als wenn man weiterhin im grossen Ausmass Pestizide (a) und Düngemittel (b) einsetzt.

2. Welcher Wert ist den Entitäten in x zuzuschreiben, unabhängig von y⇓?

Im zweiten Fall wird eine deontologische Ethik vertreten. Der individuell betroffenen Entität in x, also den einzelnen Insekten, wird ein Wert unabhängig von y zugeschrieben. Die Gegenmassnahmen wären dann zu ergreifen, sobald begründete Hoffnung besteht, dass das Insektensterben dadurch reduziert werden kann.[8]

3. Ist der positive Effekt von (a ∧ b ∧ c) auf y⇒ respektive y⇑ gross genug, damit x⇑⇑ riskiert werden kann?

Der dritte Fall ist hinsichtlich der noch zu diskutierenden epistemischen Unklarheiten im nächsten Abschnitt der interessanteste Fall. Auch hier geht es um eine Nützlichkeitsabwägung. Anders als im ersten Fall liegt der Fokus jedoch eher darauf, dass der positive Effekt von y in Frage gestellt wird. Die Frage ist also: Ist der Nutzen hinsichtlich des Risikos von x⇑⇑ überhaupt vertretbar? In dieser Position kann nun eine Mischform der ethischen Grundpositionen vertreten sein. Einerseits zeigt sich wieder eine Form des Utilitarismus, der aber etwas weniger rücksichtslos auf das „pleasure“ der aktuellen menschlichen Generation fokussiert ist als im ersten Fall. Andererseits zeigt sich auch eine deontologische Ethik, bei der zwar den individuellen Insekten kein eigenständiger moralischer Status zugeschrieben wird, der zu deren Schutz führt, aber sehr wohl den Insekten in ihrer Gesamtheit. Es würde also zum Beispiel die Spezies Biene geschützt und nicht eine einzelne Biene als Individuum.[9]

Für die nachfolgende Analyse in den nächsten beiden Kapiteln erscheint es mir sinnvoll, eine moralische Position vorauszusetzen, welche sowohl den Entitäten in x als auch y einen Wert zuschreibt. Dies dürfte zudem am ehesten der Mehrheitsmeinung in der Schweiz entsprechen, weshalb es sich auch deshalb lohnt, diese Position im Detail zu diskutieren.

Von annähernd falschen und annähernd wahren Theorien

Das epistemische Problem beruht auf zwei Grundlagen. Erstens, dass wir nicht wissen, ob wir uns in Welt 1 oder Welt 2 befinden. Die Massnahmen I führen nur in Welt 1 zum Erfolg. Zweitens ist nicht bekannt, ob alle drei Faktoren a, b, c relevant sind oder nur einer davon. Eindeutig ist einzig, dass (a ∧ b ∧ c) mit x⇑ korrelieren.

In einer baysianischen Wissenschaftstheorie wird davon ausgegangen, dass die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung dazu verwendet werden können, herauszufinden, wie wahr eine bestimmte Theorie ist. Man spricht dann von Wahrheitsgraden.[10] Diese Wahrheitsgrade werden zunächst durch Priors bestimmt, welche einen Ausgangswert bestimmen, und davon ausgehend haben weitere Evidenzen einen Einfluss darauf, ob dieser Wert reduziert oder erhöht wird. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, als würde hier über die gleiche Art von Wahrscheinlichkeit gesprochen werden wie zum Beispiel bei einem Münzwurf. Es ist nicht ein statistisches Element vorhanden, sondern es ist ein subjektiver Prozess, der formalisiert wird. Solche Wahrscheinlichkeiten können einen Wert von 0 bis 1 einnehmen, wobei 1 angibt, dass dieses Ereignis absolut wahr sein muss, während 0 dieses Ergebnis absolut ausschliesst.[11]

Eine moralische Position, welche fordert, dass Entscheidungen auf Evidenz beruhen sollen, sobald der moralische Status der Entitäten geklärt ist, würde idealerweise fordern, dass nur aufgrund absolut wahrer oder absolut falscher Aussagen zu entscheiden ist. Doch ist dies eine Forderung, die überhaupt erfüllt werden kann?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Werte 1 und 0 nicht nur Werte sind, welche einzig aus formalen Gründen existieren. Wir können von wahren oder falschen Sätzen sprechen, sofern wir nicht eine verneinende[12] epistemische Grundposition einnehmen. Der Satz: „Dort steht ein Stuhl“, verbunden mit den entsprechenden Gesten, ist für jeden kompetenten Beobachter klar als wahr oder falsch klassifizierbar. Weniger klar ist, ob auch von wahren oder falschen Theorien gesprochen werden kann. Denn Theorien bestehen aus einer Vielzahl von untereinander verknüpften Sätzen und einige dieser Sätze sind möglicherweise noch nicht oder sogar nie experimentell überprüfbar.[13]

Mit einem Rückgriff auf die Idee der Falsifikation nach Karl Popper, ist es möglich, Theorien den Wert 0 zuzuordnen. Es genügt eine empirische Beobachtung, welche der Theorie widerspricht, um diese zu widerlegen.[14] Es gib viele Beispiele von eindeutig widerlegten Theorien und damit dürfte klar sein, dass der Wert 0 erreichbar ist. Auch für Theorien, die über einen gewissen Zeitraum einem weitgehenden Konsens entsprachen wie zum Beispiel das geozentrische Weltbild.

Dass auch der Wert 1 erreicht werden kann, scheint umstrittener zu sein. Ludwig Fahrbach nennt nun aber Gründe, weshalb wir bestimmten Theorien annähernd den Wert 1 zuordnen können. Dies ist der Fall, wenn über eine längere Periode viel positive Evidenz für eine Theorie vorgebracht wurde und diese in der Lage ist, Vorhersagen zu machen. Als Beispiel nennt er die Evolutionstheorie oder das Periodensystem.[15] Ich schreibe hier „annähernd“, da eine Restunsicherheit immer besteht. Dennoch dürfte die Annäherung an 1 so gross sein, dass die Theorie als wahr bezeichnet werden darf. Doch die Anzahl an Theorien, die hier eingeordnet werden können, ist gering.

Die Forderung, Handlungen nur aufgrund annähernd wahrer oder eindeutig falscher Aussagen zu treffen, ist in der Praxis nicht haltbar. Die Anzahl an möglichen Handlungen wäre dann schlicht zu gering. Damit bleibt nur noch eine Option offen: sich damit zu begnügen, dass eine Aussage wahrscheinlich wahr oder wahrscheinlich falsch ist und dieser Grad der Wahrscheinlichkeit auf Evidenz beruhen zu lassen.[16]

Doch welche Wahrscheinlichkeit genügt, wenn annähernd wahre und annähernd falsche Theorien nicht in hinreichendem Ausmass zur Verfügung stehen?

Ethische Entscheidung unter Berücksichtigung von Evidenz

Der naturalistische Fehlschluss gehört zu den am häufigsten erwähnten Problemen, wenn ethische Fragen diskutiert werden, die mit empirischen Aussagen eng verknüpft sind.[17] Dennoch lässt sich dieses Schlussverfahren in diversen Debatten immer wieder beobachten. Aus diesem Grund ist also hier zu wiederholen, dass aus einem Sein kein Sollen folgen kann. Ein konkretes Beispiel wäre: Aus der Beobachtung, dass ein nichtmenschliches Tier Schmerz empfindet (sein), folgt nicht zwangsläufig, dass es deshalb den gleichen moralischen Status bekommt wie der Mensch (sollen). Dies würde nur dann folgen, wenn zuerst das Sollen definiert wurde, dass Schmerzempfinden eine hinreichende Bedingung für den moralischen Status ist, welchen der Mensch sich selbst zuschreibt. Moral wird durch den Menschen definiert und nicht durch Umstände, die ausserhalb des Menschen liegen.[18]

Für die nachfolgenden Ausführungen ist sowohl eine ethische als auch eine epistemologische Grundsatzentscheidung Voraussetzung. Die ethische Grundsatzentscheidung ist, dass „Tatsachen“ innerhalb einer ethischen Entscheidung zu berücksichtigen sind und demzufolge für hinreichend ähnliche moralische Objekte hinreichend ähnliche Normen festgelegt werden. Es wäre also nicht zulässig zu sagen: „Schmerz ist grundsätzlich zu vermeiden“, und dann den Satz „Alle Tiere empfinden Schmerz“ nicht zu berücksichtigen, wenn eine Entscheidung hinsichtlich der Tiernutzung zu treffen wäre.

Die epistemologische Grundsatzentscheidung ist so zu treffen, dass ein Grundvertrauen in wissenschaftlich generierte Evidenz besteht. Dadurch schliesse ich eine verneinende epistemische Position aus, welche grundsätzlich daran zweifelt, dass wir überhaupt Wissen über die Welt generieren können. Dieses Grundvertrauen beinhaltet auch das Verständnis, dass ein Widerspruch zwischen Alltagserfahrungen und Ergebnissen wissenschaftlicher Evidenz bestehen kann. Die Bereitschaft muss bestehen, dass man das, was man über die Welt zu wissen glaubt, bereit ist aufzugeben, wenn überzeugende Argumente gegen diese Weltsicht zur Verfügung gestellt werden. Dieses Grundvertrauen beinhaltet nicht die Forderung, Ergebnisse hinzunehmen. Diese Form der Skepsis ist geradezu Voraussetzung, um ethische Entscheidungen sinnvoll in einen Kontext zu Evidenz zu stellen. Aber eine grundsätzliche Weigerung, Ergebnisse anzuerkennen, schliesst das betreffende Subjekt auch von ethischen Entscheidungen aus, die auf Evidenz beruhen.[19]

Sofern diese zwei Grundsätze akzeptiert werden, erscheint mir ein etwas näherer Blick auf folgende nicht abschliessende, nicht streng hierarchische Liste hilfreich, um der Frage näher zu kommen, wann wir genügend Evidenz haben, um zu handeln. Die Fragen sind hinsichtlich der Kategorien: Ethik [1], Epistemisches Grundvertrauen [2] und konkrete Evidenz [3] hierarchisch geordnet. Diese Ordnung beruht darauf, wie sehr die jeweilige Kategorie die darauffolgende beeinflusst. Die Fragen innerhalb dieser Gruppe unterliegen dann aber keiner strengen Ordnung mehr.

1. Der grundsätzliche moralische Status von x und y1.1. Wird den Entitäten in x ein inhärenter Wert zugeschrieben unabhängig von y?1.2. Welche zeitliche Perspektive wird auf y angewandt?2. Die grundsätzliche Vertrauenswürdigkeit der Quellen, aus der die Informationen in 3 hervorgehe3. Die Wahrscheinlichkeiten in Bezug auf:3.1. Dass Welt 1 ausschliesslich oder Welt 2 wahr ist3.2. Die jeweilige Einzelwahrscheinlichkeit der einzelnen Faktoren a, b, c für den Fall, dass sie kausal sind für x⇓3.3. Die jeweiligen Einzelwahrscheinlichkeiten in Bezug auf die Unterformen von a, b, c in der Form einer Gliederung von a1−n, b1−n, c1−n3.4. Dass y⇓⇓ eintritt, gegeben der Fall, dass a, b, c ausschliessend oder d wahr ist3.5. Dass die Massnahmen I zu einem Erfolg führen, gegeben der Fall, dass Welt 1 wahr ist3.6. Die jeweilige Einzelwahrscheinlichkeit von A, B, C in Bezug auf ihre reduzierende Wirkung auf y

Die erste Kategorie in der Aufzählung auf dieser Liste beeinflusst den Grad an Evidenz, der gefordert wird grundsätzlich. Die Faktoren x (Insektensterben) und y (erwünschte Effekt durch Pestizide etc.) müssen überhaupt einen moralischen Wert erhalten, damit überhaupt eine Entscheidung getroffen werden muss. Sofern x als fundamental schlecht beurteilt wird, erfolgt bereits bei geringster Evidenz, dass (a ∨ b ∨ c) die Ursache für x⇑ ist, die Pflicht, dass Gegenmassnahmen (A ∧ B ∧ C) zu ergreifen wären. Ebenso ist die Bereitschaft y⇓ aufgrund der ergriffenen Massnahmen hinzunehmen eine ganz andere, wenn der Entität in x eben kein inhärenter Wert zugeschrieben wird. Entsprechend wird dann die Wahrscheinlichkeit bedeutender, dass x⇑⇑ den Effekt y⇓⇓ hat.

Die zeitliche Perspektive auf y hat eine ebenso grosse Bedeutung. Wenn y nur für die momentane Generation und einen bestimmten Teil der menschlichen Population erhalten werden soll, so spielt x keine Rolle. Es hat keinerlei Relevanz, ob x letztlich so zunimmt, dass der Schaden irreversibel ist. Sobald aber eine Verantwortung hinsichtlich zukünftiger Generationen angenommen wird, ist der Faktor x⇑⇑ wenigstens in Bezug auf y⇓⇓ zu berücksichtigen.[20]

Es wird hier also nochmals deutlich, weshalb die grundlegenden ethischen Überlegungen den nachfolgenden epistemischen Überlegungen übergeordnet werden müssen.

Die zweite Kategorie macht klar, dass es ein begründetes Grundvertrauen in die Generierung der Daten braucht. Ohne dieses Grundvertrauen ergibt es keinen Sinn, die Evidenz in einem Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Entscheidend an diesem Punkt ist ein Verständnis des Prozesses, aus subjektiven Sichtweisen von Individuen, objektive Daten zu generieren.[21] Dass dabei Faktoren der Sozialisation der Individuen ebenso eine Rolle spielen wie der kulturelle Zusammenhang, in dem die Forschenden eingebettet sind, ist klar. Dies bedeutet aber nicht, dass eine grundsätzliche Wissenschaftsskepsis angebracht ist, sofern grundsätzliche Bedingungen wie Reproduzierbarkeit, Vorhersagekraft und Homogenität gegeben sind. Es geht um eine Art der Skepsis, welche letztlich vertrauensstiftend wirkt, da sie zum transparenten Arbeiten zwingt. Problematischer als der Einfluss von Sozialisation, Kultur und Schwierigkeiten auf der experimentellen Ebene sind potentiell die auf wissenschaftlichen Methoden korrumpierende Einflussnahme aus den Bereichen Politik und Wirtschaft. Es sind gerade diese Punkte, die auszuschliessen sind, da sie direkt darauf abzielen, moralische Entscheidungen im Sinne der Verursacher zu beeinflussen.[22]

Im dritten Punkt werden nun die Fragen gestellt, welche jene Form von Evidenz diskutieren, die in der eigentlichen Entscheidung erfragt wird. Die ersten drei Fragen untersuchen die Ursache von x⇑ genauer, während die letzten drei die Konsequenzen des Ergreifens oder Nicht-Ergreifens von Massnahmen beinhaltet. Die ersten drei Fragen bilden hier wieder eine Ordnung. Jede weitere Frage fordert eine höhere Auflösung der Daten als die Vorherige.

So könnte es zunächst deutlich werden, dass beispielsweise eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Welt 1 der Fall ist, primär dadurch zustande kommt, weil sehr viel Evidenz dafür vorliegt, dass Pestizide (a) der Auslöser für das Insektensterben sind und die Wahrscheinlichkeit von a entsprechend sehr hoch ist, hingegen für b und c nahezu keine Evidenz vorliegt. Der Endwert, der für die Welt 1 spricht, beruht also primär auf dem Faktor a. Sollte dies der Fall sein, ist es fragwürdig, ob die Kombination (A ∧ B ∧ C) überhaupt sinnvoll ist.

Die nächste Zergliederung in der dritten Stufe lässt ein besseres Verständnis von y zu. Angenommen a steht grundsätzlich für den Einsatz von Pestiziden, dann wäre a1 beispielsweise ein Mittel, das den Schorf auf einem Apfel verhindert, während a2 ein Mittel wäre, welches den Insektenbefall auf dem Apfel reduziert. Beides wirkt sich auf y aus, aber auf andere Bestandteile von y. Ein Apfel mit Schorf hat ästhetisch einen anderen Wert als ein Apfel ohne Schorf. Ein weitgehend zerfressener Apfelbaum, dessen Ertrag nur noch für die Mostpresse ausreicht, hat ökonomische Konsequenzen für den Bauern und den Konsumenten.[23] Entsprechend ist die Frage, ob a1 respektive a2 nun primär auf die Optik des Produkts oder primär auf den Ertrag des Produkts wirkt, in ethischer Hinsicht eine unterschiedliche Frage, denn sie referiert auf verschiedene Seins-Zustände. Wiederum hat dies dann einen Effekt darauf, welche Wahrscheinlichkeit gefordert wird, dass a1 respektive a2 kausal auf x⇑ wirkt. So dürfte die Hemmschwelle ein Hilfsmittel zu verbieten, dass die Ästhetik und Lagerfähigkeit beeinflusst, tiefer sein als eines, welches allenfalls massive Ernteeinbussen zur Folge hat.

Es geht hier aber auch darum zu erkennen, dass ein spezifisches Wissen auf der Ebene von A1 zu a1 nicht immer möglich ist. In Bezug auf das Beispiel mit den Pestiziden heisst das: Es wird eine Vielzahl verschiedener Mittel eingesetzt. Exakt jene zu identifizieren, welche den Schaden anrichten, und jene, welche weniger schadhaft sind, ist schwierig. Entsprechend sind solche hochaufgelösten Einzelwahrscheinlichkeiten allenfalls gar nicht zugänglich. Eine Entscheidung muss dann doch auf einer höheren Stufe gefällt werden.

Aus diesem Grund braucht es aber auch diese drei Stufen. Denn eine Entscheidung ist allenfalls zu fällen ohne eine Zugänglichkeit der Stufen darunter und es ist dann noch stärker ein Teil des grundsätzlichen Abwägungsprozesses im Verhältnis von x und y, welche Evidenz gefordert wird. Dies kann konkret bedeuten, dass die Massnahme gegen x⇑ tatsächlich aus der Kombination von (A ∧ B ∧ C) bestehen muss und allenfalls weiter zu ergänzen ist und sogar D beinhalten muss, obwohl wir wissen, dass gilt: ((d ∨ ((a ∨ b ∨ c) ∧ ¬d)) ist die kausale Ursache für x⇑.

Die nächsten drei Fragen sind analog den ersten drei Fragen zu besprechen. Es besteht jedoch ein Unterschied darin, dass nicht gefragt wird, ob die Ursachen korrekt sind, sondern wie wahrscheinlich eine Verschlechterung in Bezug auf y ist, wenn nichts unternommen wird hinsichtlich x⇑. Ist diese Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dürfte auch eine tiefe Wahrscheinlichkeit hingenommen werden, dass wahr ist, dass (a ∨ b ∨ c) die kausale Ursache für x⇑ ist um die Massnahmen (A ∧ B ∧ C) zu ergreifen.

Es sollte klar geworden sein, dass es keinen festen Wert geben kann, wann das Eintreten eines bestimmten Ereignisses wahrscheinlich genug geworden ist, damit wir verpflichtet wären, bestimmte Handlungen zu vollziehen. Die subjektiven moralischen Faktoren legen diesen Wert fest in Bezug auf die Konsequenzen, welche sie auf x und y haben, und wie x und y grundsätzlich bewertet werden. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass auch das Ergebnis eines bayesianischen Kalküls das Ergebnis eines subjektives Prozesses ist.

Schlussfolgerung

Ausgehend von der möglicherweise durch den Menschen verursachten Abnahme der Insektenpopulation habe ich aufgezeigt, wie ein solches Problem in drei Dimensionen analysiert werden kann. Dabei ging es mir nicht darum, konkret etwas zum vorliegenden Beispiel zu schreiben, sondern aufzuzeigen, wie eine solche Analyse funktioniert. Der Kerngedanke dieses Aufsatzes liegt darin, dass jeder epistemischen Analyse bereits ethische Entscheidungen zugrunde liegen und das wiederum ethische Entscheidungen von epistemischen Faktoren abhängen. Ethik und Epistemologie stehen in einem stetigen Wechselspiel und eine wohlüberlegte Entscheidung, wie bei solchen komplexen Problemen vorgegangen werden soll, ist nur möglich, wenn alle drei Dimensionen berücksichtigt werden. Erstens: Was sind meine ethischen Grundüberzeugungen. Zweitens: Was weiss ich über diese Welt? Drittens: Wie verhalten sich meine ethischen und epistemischen Überzeugungen zueinander?

Literatur

Baier, Tina: Dramatischer Insektenschwund in Deutschland. Artikel vom 18. Oktober 2017, in: Süddeutsche Zeitung, Abgerufen am 05.11.2017, URL: http://www.sueddeutsche.de/wis... (2017).

Bartelborth, Thomas: Sollten wir klassische Überzeugungssysteme durch bayesianische ersetzen?, in: Freie Zeitschrift für wissenschaftliche Philosophie (2013), 2–68.

Esfeld, Michael: Das Messproblem der Quantenmechanik heute: Übersicht und Bewertung, in: Philosophie der Physik, hrsg. v. Michael Esfeld, Berlin 2012, 88–109.

Fahrbach, Ludwig: Scientific Revolutions and the Explosion of Scientific Evidence, in: Synthese (2017), 5039–5072.

Fleck, Ludwik: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Frankfurt am Main 2012[1935].

Fricker, Mirandas: Epistemic Injustice. Power and the Ethics of Knowing, Oxford 2007.

Hänseler, Marianne: Metaphern unter dem Mikroskop. Die epistemische Rolle von Metaphorik in den Wissenschaften und in Robert Kochs Bakteriologie, Zürich 2009.

Hume, David: A Treatise of Human Nature, Oxford 2000[1738–1740].

Lipton, Peter: Inference to the best explanation, 2. ed. 2004.

Longino, Helen: Cognitive and Non-Cognitive Values in Science: Rethinking the Dichtomy, in: Feminism, Science, and the Philosophy of Science, hrsg. v. Lynn Hankinson Nelson und Jack Nelson, Dordrecht 1996, 39–58.

Longino, Helen E.: Science as social Knowledge. Values and Objectivity in scientific inquiry, Princeton1990.

Mill, John Stuart: A System of Logic, Ratiocinative and Inductive, Toronto 1973[1843]. Ders.: Der Utilitarismus, Stuttgart 1976[1871].

Moore, Georg Edward: Principia Ethica, Cambridge 1960[1903].

Oreskes, Naomi / Conway, Erik M.: Merchants of doubt. How a handful of scientists obscured the truth on issues from tobacco smoke to global warming, New York 2010.

Peirce, Charles: Prolegomena To An Apology For Pragmaticism, in: The Logic of Interdisciplinarity, hrsg. v. Elize Bisanz, Berlin 2009[1906], 307–342.

Popper, Karl: Logik der Forschung, Tübingen 2005[1934].

Putnam, Hilary: The ’Corroboration’ of Theories, in: The Philosophy of Karl Popper, hrsg. v. Paul Arthur Schilpp, La Salle 1974, 221–240.

Rawls, John: A Theory of Justice, Oxford 1999[1971].

Roberts, M.A.: The Nonidentity Problem, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2015 Edition), URL: https://plato.stanford.edu/arc... (2015).

Schurz, Gerhard: Wissenschaftliche Erklärung, in: Wissenschaftstheorie. Ein Studienbuch, hrsg. v. Andreas Bartels und Manfred Stöckler, Paderborn 2007, 69–88.

Williams, Bernard: Wahrheit und Wahrhaftigkeit, Frankfurt am Main 2013[2002].

Wittwer, Jonas: Contracts in Friendship. Renegotiation with storytelling, Unveröffentlicht 2018.

Ders.: Vom Wahrheitsanspruch der Wissenschaft, in: metaphi. Wissen was können wir wissen? Welchen Wahrheitsanspruch hat die Wissenschaft? Was ist nicht-sprachliches Wissen? 1 (2016), 6–7.

Ders.: Zwischen Gift und Pflanzenschutz. Die Pestizidwahrnehmung junger Landwirte von 1940 bis Ende der 1970er Jahre, Bern 2016.

Referenzen

[1]

Baier, Tina: Dramatischer Insektenschwund in Deutschland. Artikel vom 18. Oktober 2017, in: Süddeutsche Zeitung, Abgerufen am 05.11.2017, URL: http://www.sueddeutsche.de/wis... (2017).

[2]

Der Ausdruck Evidenz ist eine nicht ganz korrekte Übersetzung des englischen Begriffes evidence. Es geht mir in diesem Eintrag um einen empirischen Nachweis der mit wissenschaftlichen Methoden erbracht wird, wenn ich den Begriff "Evidenz" verwende. Mann könnte auch von empirischer Evidenz schreiben. Anmerkungen zu diesem Übersetzungsproblem gerne direkt an den Autor unter: jonas.wittwer@reatch.ch

[3]

Hinsichtlich des Ansatzes, das Problem sowohl aus einer wissenschaftstheoretischen / erkenntnistheoretischen als auch aus einer ethischen Perspektive zu betrachten, orientiere ich mich an dem Vorgehen von Miranda Fricker in folgendem Buch: Fricker, Mirandas: Epistemic Injustice. Power and the Ethics of Knowing, Oxford 2007. Aber auch allg. an Überlegungen aus der feministischen Epistemologie.

[4]

Die Formalisierung verwendet Symbole aus der Aussagelogik. ∧ = und, ∨ = oder, ¬ = nicht. Wichtig ist, dass bei einem ∧ immer alle verknüpften Variablen wahr sein müssen, damit der ganze Satz (Konjunktion) wahr ist. Bei einem ∨ genügt es, dass nur eine Variable wahr ist, damit der ganze Satz (Disjunktion) wahr ist. Der Ausdruck „XOR“ bedeutet „entweder, oder“. Dies liesse sich auch mit den bereits eingeführten Zeichen darstellen, spart hier aber Platz.

[5]

Vgl. Endnote 3

[6]

Vgl. Endnote 3

[7]

Für die grundsätzlichen Überlegungen hinsichtlich dieser Richtung der Ethik vgl. Mill, John Stuart: Der Utilitarismus, Stuttgart 1976[1871].

[8]

Ich beschreibe hier eine Form der deontologischen Ethik, welche sich stark an den Überlegungen von John Rawls orientiert: Rawls, John: A Theory of Justice, Oxford 1999[1971]. Ich führe diese Position in einer noch nicht fertig gestellten Arbeit noch weiter aus: Wittwer, Jonas: Contracts in Friendship. Renegotiation with storytelling, Unveröffentlicht 2018.

[9]

Eine vertiefte Analyse kann hier auf die Differenzierung in Type und Token zurückgreifen. Vgl. dazu: Peirce, Charles: Prolegomena To An Apology For Pragmaticism, in: The Logic of Interdisciplinarity, hrsg. v. Elize Bisanz, Berlin 2009[1906], 307–342, hier S. 315.

[10]

Ich selber würde hier eher von Glaubensgraden sprechen vgl. dazu: Wittwer, Jonas: Vom Wahrheitsanspruch der Wissenschaft, in: metaphi. Wissen was können wir wissen? Welchen Wahrheitsanspruch hat die Wissenschaft? Was ist nicht-sprachliches Wissen? 1 (2016), 6–7.

[11]

Vgl. dazu auch die Ausführungen in Bartelborth, Thomas: Sollten wir klassische Überzeugungssysteme durch bayesianische ersetzen?, in: Freie Zeitschrift für wissenschaftliche Philosophie (2013), 2–68.

[12]

Für den Ausdruck „verneinend“ beachte die Ausführungen in Williams, Bernard: Wahrheit und Wahrhaftigkeit, Frankfurt am Main 2013[2002], S. 17. Im Originaltext wird der Ausdruck: „deniers“ verwendet.

[13]

Ein interessantes Beispiel dafür, dass eine Theorie allenfalls nie geprüft werden kann, findet sich in der Interpretation der Quantenmechanik. Hier könnte es der Fall zu sein, dass die ausstehenden Fragen experimentell grundsätzlich nicht beantwortbar sind. Vgl. dazu: Esfeld, Michael: Das Messproblem der Quantenmechanik heute: Übersicht und Bewertung, in: Philosophie der Physik, hrsg. v. Michael Esfeld, Berlin 2012, 88–109.

[14]

Zur Idee der Falisifkation vgl. Popper, Karl: Logik der Forschung, Tübingen 2005[1934]. Zu einer Kritik daran: Putnam, Hilary: The ’Corroboration’ of Theories, in: The Philosophy of Karl Popper, hrsg. v. Paul Arthur Schilpp, La Salle 1974, 221–240.

[15]

Fahrbach, Ludwig: Scientific Revolutions and the Explosion of Scientific Evidence, in: Synthese (2017), 5039–5072.

[16]

Ich diskutiere hier die Möglichkeit zu abduktiven Schlüssen nicht, denke aber, man könnte dieses Schlussverfahren zum Teil in ein baysianisches System übertragen. Vgl. zur Abduktion: Lipton, Peter: Inference to the best explanation, 2. ed. 2004.

[17]

Für den theoretischen Hintergrund zum naturalistischen Fehlschluss vgl. Moore, Georg Edward: Principia Ethica, Cambridge 1960[1903], S. 45. Zudem auch die Ausführungen von Hume in Buch 3, Part 1, Kapitel 1: Hume, David: A Treatise of Human Nature, Oxford 2000[1738–1740], S. 293–302.

[18]

Vgl. dazu die Angaben in Endnote 7. In der dort erwähnten Arbeit gehe ich nochmals näher auf die Kontingenz moralischer Aussagen ein.

[19]

Der/die Kreationist*in verdeutlicht diesen Umstand recht gut. Es ergibt keinen Sinn eine/n Kreationist*in zu fragen, welchen Grad an Evidenz benötigt wird, dass die Evolutionslehre anzuerkennen wäre, da die gesamte kreationistische Argumentation auf der Prämisse aufgebaut ist, dass ein schöpfendes Wesen die gesamte Entwicklung und Entstehung des Lebens gesteuert hätte. Diese Prämisse widerspricht aber so grundlegend jeder wissenschaftlichen Tatsache, dass sie schlicht nicht angreifbar durch ebensolche Tatsachen ist. Sie ist dann auch im Sinne von Popper nicht falsifizierbar. Vgl. dazu Endnote 13.

[20]

Es gibt eine Debatte hinsichtlich des Arguments der Verantwortung für zukünftige Generationen. Da die Form, in der unsere Nachkommen existieren, erheblich davon abhängt, welche Entscheidungen wir hinsichtlich x und y treffen, ist es fraglich, ob eine zukünftige Generation überhaupt als eigenständige moralische Entität aufzufassen ist. Eine Generation, die in einer zerstörten Umwelt leben muss, lebt nur, weil wir zuvor diese Umwelt zerstört haben. Würden wir die Umwelt nicht zerstören, wäre es eine andere Generation, welche in einer intakten Umwelt leben würde. Vgl. dazu: Roberts, M.A.: The Nonidentity Problem, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2015 Edition), URL:
https://plato.stanford.edu/arc... (2015).

[21]

Vgl. dazu die Ausführungen in: Longino, Helen: Cognitive and Non-Cognitive Values in Science: Rethinking the Dichtomy, in: Feminism, Science, and the Philosophy of Science, hrsg. v. Lynn Hankinson Nelson und Jack Nelson, Dordrecht 1996, 39–58, hier S. 44. Zudem dann die detaillierten Überlegungen dazu in: Longino, Helen E.: Science as social Knowledge. Values and Objectivity in scientific inquiry, Princeton 1990.

[22]

Zu diesen Abschnitt gibt es reihenweise Literatur: Zunächst grundsätzlich zu den theoretischen Überlegungen von Ludwik Fleck und seine Idee von Denkstil: Fleck, Ludwik: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Frankfurt am Main 2012[1935]. Eine interessanten Diskussion hinsichtlich einer positiven Perspektive zur induktiven Methode findet sich hier: Mill, John Stuart: A System of Logic, Ratiocinative and Inductive, Toronto 1973[1843], S. 312–328, 388–410. Wissenschaftliche Erklärungen haben zudem wenigstens zwei Komponenten. Eine Komponente, welche im weiteren Sinn die Ursache eines Phänomens nennt, aber dann auch eine Erklärung, weshalb zu glauben ist, dass die Ursache gerade die Ursache ist. Gerade letzteres ist relevant, um das Vertrauen in die Daten zu fördern. Vgl. dazu: Schurz, Gerhard: Wissenschaftliche Erklärung, in: Wissenschaftstheorie. Ein Studienbuch, hrsg. v. Andreas Bartels und Manfred Stöckler, Paderborn 2007, 69–88, hier S. 81. Hinsichtlich des kulturellen Einfluss auf die Forschung macht Marianne Hänseler spannende Beispiele anhand der Forschung von Robert Koch: Hänseler, Marianne: Metaphern unter dem Mikroskop. Die epistemische Rolle von Metaphorik in den Wissenschaften und in Robert Kochs Bakteriologie, Zürich 2009. Im Bezug auf Beispiele für die Einflussnahme politischer und wirtschaftlicher Interessen dann Oreskes und Conway in: Oreskes, Naomi / Conway, Erik M.: Merchants of doubt. How a handful of scientists obscured the truth on issues from tobacco smoke to global warming, New York 2010.

[23]

Hinsichtlich des Punktes, wie Verfügbarkeit von Pestiziden auch normierend wirkt, was ein akzeptables Produkt ist: Wittwer, Jonas: Zwischen Gift und Pflanzenschutz. Die Pestizidwahrnehmung junger Landwirte von 1940 bis Ende der 1970er Jahre, Bern 2016. Ich greife dieses Thema nur am Rande auf, doch würden viele der in dieser Arbeit verwendeten Quellen eine vertiefende Analyse dieses Normierungsprozesses erlauben. Die Vorstellung, was verkauft werden soll, ist sehr stark gekoppelt an die Verfügbarkeit technischer Mittel.

Autor*innen

Jonas Wittwer

Autor*in

Advisor

Jonas ist im Vorstand von Reatch und doktoriert an der Universität Bern und Innsbruck in feministischer und sozialer Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

Zum Kommentieren mehr als 20 Zeichen im Text markieren und Sprechblase anklicken.

Wir freuen uns über nützliche Anmerkungen. Die Kommentare werden moderiert.